Als mich vor 14 Jahren meine Freundin Christina anrief, ahnte ich nicht, dass dies der Anfang einer langjährigen und prägenden Erfahrung für uns beide würde.
Sie nahm mich zu Frau Gallin-Ast mit, der Chefin ihrer Mutter, die junge Mädchen suchte, die sich um ihre Pferde kümmern wollen. Zwar liebte ich Pferde und auch das Reiten, dennoch war ich an diesem Nachmittag skeptisch, was hier auf mich zukommen würde. Frau Gallin-Ast empfing uns sehr freundlich und nach einem Gespräch ging es auch schon in die Stallungen hinter ihrem Haus. Sie zeigte uns ihre Lieblinge, aber meine Aufmerksamkeit war nicht mehr bei Frau Gallin-Ast.
Ich erblickte in der hintersten Ecke auf einer Einzelkoppel einen Fuchs, der mich völlig in seinen Bann zog. Auf einmal merkte ich, dass meine anfänglich Skepsis verflogen und ich stattdessen aufgeregt und positiv gestimmt war. Als Frau Gallin-Ast meinen Blick bemerkte, erzählte sie schmunzelnd Judgys lange und teilweise unglückliche Geschichte auf der Rennbahn. Nach einer Siegesserie erlitt er einen Hufbeinbruch, der langwierig ausheilen musste und dabei hat er wohl die Nähe zu Menschen völlig verloren und war somit auch schwierig zu reiten. Im Grunde eigentlich ein Todesurteil für ein Pferd, nur Judgy hatte Glück und wurde von Frau Gallin-Ast nicht aufgegeben. Ich fühlte mich aufgrund dieser Geschichte, noch mehr von diesem Pferd angezogen. Ich bin überzeugt Frau Gallin-Ast hatte schon da bemerkt, dass mich nun nichts mehr abschrecken würde. Dennoch sollte ich mich zunächst um Amira kümmern. Jeden Tag kamen wir zu den Pferden, putzten sie, misteten den Stall und machten lange Ausritte. Und dennoch waren meine Highlights die Stunden, an denen ich an Judgys Koppel stand, ihn lange beobachtete.
Jeden Tag merkte ich mehr und mehr, wie Judgy zu mir blickte, Zentimeter für Zentimeter auf mich zukam, aber dann doch wieder zurückwich. Aber er blickte mir lange in die Augen. Und eines Tages kam er auf mich zu, stupste mich mit seiner Nase an und wir begannen uns ganz langsam kennenzulernen.
Ein paar Wochen und einige langen Putz- und Schmusestunden später, durfte ich ihn zum ersten Mal satteln und ausreiten. Frau Gallin-Ast ging nebenher. Doch schon nach einigen Metern waren wir beide so sicher im Gelände unterwegs, dass jede Unsicherheit vergessen war.
Uns konnte nun nichts mehr trennen. Von diesem Tag an, war Judgy mein Ein und Alles. Ich durfte ihn von meinem 11. bis heute, seinem 20 Lebensjahr pflegen, reiten und mit ihm, als Freund und Begleiter, einfach die schönste Zeit meines Lebens verbringen! Die Urlaube und damit verbunden Trennungen waren immer sehr schlimm für uns. In einem Jahr hatte ich meinen Strickpulli vor der Stalltüre hängen lassen, Judgy hat ihn nachts immer in seine Box geholt und einmal sogar auf seinen Rücken geworfen. Er hat sich bei jeder Rückkehr riesig gefreut, bis ihm bewusst wurde, dass er ja eigentlich beleidigt sein müsste, was er dann ausgiebig zelebrierte. Nach einigen Tagen mit unendlichen Schmuseeinheiten konnte er nicht anders und alles war vergessen.
Ich blicke immer wieder unwahrscheinlich gerne auf diese Jahre zurück, wir waren ein eingeschworenes Mädelteam, die gemeinsamen Ausritte und Erlebnisse haben uns verbunden. Gerade jetzt nach dem Berufseinstieg wird mir immer mehr bewusst, wie wertvoll diese Erfahrungen waren und mir fehlen die vielen Ausritte und die Zeit ohne Stress und Druck bei den Pferden.
Ich hoffe ich kann öfter vorbeischauen und zusehen wie mein kleiner Held seinen kleinen Felix genauso schöne Stunden bereitet. Denn Judgy ist etwas ganz besonderes und ich hoffe ich sehe ihn noch lange und glücklich auf seiner Koppel und mit seinen Freunden!!!